Gestuftes System der Hilfen

Gestuftes System der Hilfen im Förderschwerpunkt Emotionale und soziale Entwicklung

Quelle: Bolz, T.& Rieß, B. (2021). Gestuftes System der Hilfen. In H. Ricking, T. Bolz, B. Rieß & W. Wittrock (Hrsg.), Prävention und Intervention bei Verhaltensstörungen. Gestufte Hilfen in der schulischen Inklusion (31-49). Stuttgart: Kohlhammer.

Mobile Dienste und Beratungs- und Unterstützungssysteme (MoDiBUS) sind ein bedeutsamer Baustein in einem gestuften System der Hilfen im Förderschwerpunkt Emotionale und soziale Entwicklung.

 

Stufen des Systems der Hilfen:

1. Unterstützungsangebote in der allgemeinen Schule

Verortet an der allgemeinen Schule richtet sich die erste Stufe, im Sinne einer universellen Prävention, zunächst an alle Schülerinnen und Schüler. Hierzu gehören beispielsweise Maßnahmen, die der Prävention von Verhaltensauffälligkeiten sowie Unterrichtsstörungen an der allgemeinen Schule dienen sollen, z. B. Entwicklung einer inklusiven Schulkultur, der Einsatz von Maßnahmen des Classroom Management, eine regelmäße Verlaufsdiagnostik bezogen auf das Arbeits- und Sozialverhalten, die Umsetzung der Didaktik des Gemeinsamen Unterrichts sowie spezifischer Trainingsprogramme zur Stärkung sozialer Kompetenzen. Aber auch sozialpädagogische und schulpsychologische Angebote sowie Beratungs- und Fördermaßnahmen, die von Sonderpädagog*innen umgesetzt werden, sind dieser Ebene zuzuordnen. Darüber hinaus bilden Leistungen entsprechend der Eingliederung gemäß SGB XIII, wie z.B. Schulassistenz, weitere Unterstützungsangebote an der allgemeinen Schule.

2. Mobile Dienste und Beratungs- und Unterstützungssysteme

Mobile Dienste und Beratungs- und Unterstützungssysteme (MoDiBUS) sind ambulante erzieherische Hilfen, die i. d. R. verortet an einem Förderzentrum je nach Bedarfslage als systemisch orientierte Beratungs- und Unterstützungsangebote unterschiedlichen Adressatengruppen (z. B. Schülerinnen und Schülern, Lehrkräften, Erziehungsberechtigten) zur Verfügung stehen. In den Angeboten der MoDiBUS finden (je nach Ausrichtung und Arbeitsverständnis) individuums- und/oder systembezogene Ansätze Berücksichtigung.

3. Kurzzeitinterventionsmaßnahmen

Kurzzeitinterventionsmaßnahmen sind temporäre Bildungs- und Unterstützungsangebote für Schülerinnen und Schüler außerhalb ihrer Lerngruppe der allgemeinen Schule. Die Schülerinnen und Schüler verlassen für einen festgelegten, begrenzten Zeitenraum ihre ursprüngliche Lerngruppe und werden primär in der neuen Lerngruppe unterrichtet, die sich durch spezifische Rahmenbedingungen (z. B. Gruppengröße, personelle Ausstattung, pädagogisch-therapeutische Ausrichtung) auszeichnet und Schülerinnen und Schüler in der emotionalen und sozialen Entwicklung fördern soll. Am Ende der Kurzzeitintervention wird die (häufig begleitete) Rückführung in die Allgemeine Schule angestrebt.

4. Förderschule mit dem Schwerpunkt Emotionale und soziale Entwicklung

Die Förderschule mit dem Schwerpunkt Emotionale und soziale Entwicklung ist eine eigenständige Schulform und richtet sich an Schülerinnen und Schüler mit einem festgestellten sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf. Förderschulen zeichnen sich durch besondere Organisationsformen (Klassengrößen, personelle Ausstattung, Vernetzung, pädagogische und didaktische Konzepte) aus. Grundsätzlich ist die Arbeit nach dem Prinzip der „Durchgangsschule“ ausgerichtet und folgt dem Ziel, die Schülerinnen und Schüler zeitnah wieder an einer allgemeinen Schule unterrichten zu können. Die Förderschule mit dem Schwerpunkt Emotionale und sozialen Entwicklung kann darüber hinaus ergänzt werden durch ambulante und stationäre Maßnahmen gemäß des Kinder- und Jugendhilfegesetzes.

5. Intensivgruppen oder alternative schulische Angebote

In dieser Stufe sind Konzepte für bestimmte Teilgruppen zusammengefasst, deren Bedarfen im Rahmen einer Förderschule nicht entsprochen werden kann. Die Angebote richten sich an Schülerinnen und Schüler mit einem erhöhten emotionalen und sozialen Unterstützungsbedarf, der sich z. B. in selbst- und fremdverletzenden oder in einem schulaversiven Verhaltensweisen zeigt. Auf den ersten Blick zeichnen sich diese Angebote durch eine intensivpädagogische Ausrichtung in der konzeptionellen Gestaltung von Rahmungen (verringerte Gruppengröße, engerer Betreuungsschlüssel, hohes Maß an Spezialisierung und Individualisierung) sowie der Verwendung von zielgruppenspezifischen Methoden und Konzepten aus. Die Umsetzung dieser Maßnahmen ist sehr abhängig von regionalen Ausgestaltung von Hilfe- und Unterstützungsmaßnahmen an der Schnittstelle zwischen den schulischen und außerschulischen Institutionen (Schule und Jugendhilfe).

6. Schulen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie oder Jugendstrafvollzug

Die Angebote auf dieser Stufe zeichnen sich dadurch aus, dass die spezifischen, rehabilitativen Ziele aus den Bereich der Psychiatrie und des Strafvollzugs im Mittelpunkt der Arbeit stehen und pädagogische Intentionen diesen zu- bzw. untergeordnet sind. Dies zeigt sich insbesondere in den organisatorischen und personellen Strukturen dieser Institutionen, die im gesellschaftlichen Kontext i.d.R. stark separierend wirken können.

Prinzipien des gestuften Systems der Hilfen:

Prinzip der Inklusion

Das Prinzip der Inklusion ist der Grundgedanke dieses gestuften Systems, das auf den unterschiedlichen Ebenen jeder Schülerin und jedem Schüler bedarfsgerecht die benötigte Unterstützung in einem möglichst wenig separierenden Setting bieten soll und die Teilhabe an schulischen Bildungsprozessen unterstützt.

Prinzip der Prävention

Im Sinne der Prävention ist es das Ziel ist, der Notwendigkeit der Angebote der nächsten Stufe vorzubeugen und Systeme so zu stabilisieren, dass Angebote der aktuellen Stufe zurückgenommen werden bzw. durch Angebote der vorherigen Stufe ersetzt werden können.

Prinzip der Duchlässigkeit

Das Prinzip der Durchlässigkeit äußert sich darin, dass die dargestellten Stufen nach Bedarf und Problemsituation durchlaufen werden sollten, dies muss nicht in jedem Fall chronologisch bzw. in einer festgelegten Reihenfolge erfolgen. Hierbei ist es auch möglich, dass Unterstützungsangebote der unterschiedlichen Ebenen phasenweise zeitlich parallel von einer Schülerin oder einem Schüler genutzt werden (z. B. in der Phase der Rückführung aus einer Kurzzeitinterventionsmaßnahme oder der Förderschule in die Allgemeine Schule).

Prinzip der Intensivierung und Individualisierung

Mit zunehmender Stufe erfolgt eine Intensivierung und Individualisierung der Bildungs-, Beratungs- und Unterstützungsangebote von der universellen über die selektive bis hin zur indizierten Prävention.

Prizip der fallbezogene sowie fallunabhängiger Unterstützungsmaßnahmen

Auf den Stufen finden sich fallbezogene sowie fallunabhängiger Unterstützungsmaßnahmen, die i.d.R. auf Grundlage einer individuumsbezogenen (z. B. Maßnahmen in Folge der Feststellung sonderpädagogischer Förderbedarf) und einer systembezogenen (z. B. schulweiter Einsatz spezifischer Trainingsprogramme zur Stärkung sozialer Kompetenzen) Ressourcenzuweisen erfolgt.

Prinzip der Multiprofessionalität und Kooperation

Die Unterstützungsangebote auf den unterschiedlichen Stufen sollten sich durch Multiprofessionalität und Kooperation auszeichnen und sehen eine stufeninterne und -übergreifende Vernetzung der Institutionen und Mitarbeitenden im Sinne eines „Netzwerk der Hilfen“.

Es ist anzumerken, dass das skizzierte System gestufter Hilfen ein idealtypische Förder- und Unterstützungsstruktur im Schwerpunkte Emotionale und soziale Entwicklung anbietet. Die Ausgestaltung eines solchen Systems sollte unter Berücksichtigung der regionalen Bedingungen (z. B. bundeslandspezifische gesetzliche Vorgaben, aktuell bestehende Förder- und Kooperationsstrukturen, soziokulturelle und -ökonomische Ausgangslage des Einzugsgebietes) sowie zur Verfügung stehenden Ressourcen erfolgen.

(Stand: 19.01.2024)  | 
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